Unsere Wunsch klang zunächst eigentlich nicht sonderlich kompliziert: ein Online-Shop für Werkzeuge, der nicht nur ein trivialer Shop ist, sondern den wissensdurstigen Besuchern auch Zusatznutzen bietet: einen Blog, Projektseiten, ein Werkzeug-Kompendium, ein Wörterbuch und noch eine paar weitere „Schmakerl“. In unserem „Content is King“ Zeitalter eigentlich einen Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Wir wurden eines Besseren belehrt und die Reise dazu ist noch nicht zu Ende. Schauen wir uns die Erkenntnis-Etappen genauer an:
Das kann doch nicht so schwer sein?
Selbst ist der Mann, beziehungsweise „das kann doch nicht so schwer sein“. Ab Juni 2016 unternahmen wir mehrere Selbstversuche mit verschiedenen Shopsystemen wie Magento, Shopware, osCommerce, Gambio, Jimdo, usw. Dabei erfolgte jeweils die Installation auf einem ordentlichen Server und wir investierten Zeit in die Einarbeitung sowie das Studium von Online-Dokumentationen und Foren. Leider stellten wir fest, daß keiner der Shops (zumindest zu diesem Zeitpunkt) die gewünschten Zusatzfunktionen bot oder aber Programmierkenntnisse erforderlich waren.
Ein Lichtlein am Ende der Tunnels
Nach einiger Recherche schien sich Licht am Ende des Tunnels aufzutun: Die Kombination aus WordPress und WooCommerce versprach einen zeitgemäßen Online-Shop mit dem ersehnten Zusatznutzen zu ermöglichen. Zudem war laut damaliger Statistik WooCommerce das am häufigsten verwendete Shop-Tool weltweit. Selbst an die besonderen Anforderungen an Shop-Systeme im deutschen Rechtsraum schien mit cleveren Erweiterungen gedacht worden zu sein. Mit einem gekauften „Theme“ und ein paar Plug-Ins schien aller Anfang leicht und schnell zu sein. Aber, wie üblich, die letzten 20% ließen uns verzweifeln, und wir entschieden uns, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Hello India
Die lokalen Angebote sprengten leider unser schmales Budget signifikant, daher veröffentlichten wir im Januar 2019 die Arbeit auf einer internationalen Freelancing-Plattform. Es dauerte nur wenige Tage, bis wir die ersten Videokonferenzen mit Fachleuten aus Pakistan und Indien hatten. Natürlich hatten wir ein detailliertes Lastenheft vorbereitet, das genaue Anforderungen von A bis Z enthielt. Die meisten Freelancer hielten alles für unproblematisch und konnten in den meisten Fällen bereits im ersten Gespräch ein Angebot abgeben – im Durchschnitt um den Faktor 10 günstiger als lokale Angebote. Unsere Qual der Wahl war groß, da fast alle versprachen, die Webseite schnell und gemäß unseren Anforderungen umzusetzen.
Na also, geht doch...
Schließlich, im Frühjahr 2019, fiel die Wahl auf ein Unternehmen in Indien, und „John“ konnte uns schon wenige Tage später die erste Struktur unserer Seite online zeigen. Wir waren sehr begeistert, und alles schien in die richtige Richtung zu laufen. Verbesserungswünsche wurden gerne und beachtlich flink und passgenau umgesetzt.
No money, no progress
Knapp ein Jahr später und unendliche Korrekturvorgaben mittels PowerPoint: Die bis dahin gute Kommunikation (auf Englisch) tendierte zunehmend zum Monolog. John ließ durch Nicht-Antworten erkennen: „More money, more progress.“ Ja, die Seite war in der Tat gut ansehnlich, aber die letzten „harten“ 2% fehlten, und John hatte viele Spezialitäten nicht mit Plugins gelöst, sondern anscheinend direkt in PHP programmiert. Ergo: Wir konnten das Projekt mangels entsprechendem Knowhow selbst nicht zu Ende bringen, und weiter zahlen wollten wir nicht, denn diese einfache, aber wichtige Buchstabenfolge schien dem Inder gänzlich fremd zu sein: DSGVO.
Zurück nach München!
Es musste also wieder Hilfe her, um die letzten wenigen Anpassungen umzusetzen. Wir entschieden uns nun für ein lokales Unternehmen mit DSGVO-Knowhow. Lokal auch deswegen, weil absehbar war, dass eine WordPress-Seite auch nach der Fertigstellung Betreuung benötigen würde, einschließlich ständiger Updates von Plugins mit möglichen Kollateralschäden in Form von „zerschossenen“ Seiten und ständig neuen Fehlermeldungen.
Mitte 2020 begann also die erneute Suche nach dem „richtigen“ lokalen Partner. Natürlich wollte nicht jeder eine fast fertige „Suppe auslöffeln“, aber nach ca. 5 Videochats schien der „Retter“ gefunden zu sein: Er war bereit, die existierende Arbeit mit einem überschaubaren Budget und großer Zuversicht zu finalisieren.
...und Kurswechsel
Leider war der Internetauftritt selbst nach 6 Monaten noch immer nicht fertig. Ganz im Gegenteil: Es tauchten immer wieder neue Probleme auf, die die grundsätzliche Wahl von WordPress mit WooCommerce eskalierend in Frage stellten. Ständige Plug-In und Theme-Updates sorgten dafür, dass immer wieder neue Inkompatibilitäten auftraten, und sobald ein „Loch gestopft“ war, tauchte ein neues Problem an vorher unproblematischer Stelle auf.
Das brachte uns zu einem deutlichen Kurswechsel: Der Shop sollte neu mit einem „echten“ Shop-System aufgesetzt werden, während die oben erwähnten Zusatzfunktionen wie gewohnt mit WordPress realisiert werden sollten. Zwei Systeme für einen Webauftritt – funktioniert das gut?
And the winner is...
Es folgte ein erneutes Prüfen einer Auswahl von Shopsystemen: Shopware, JTL-Shop und Shopify. Shopware stand kurz vor einem größeren Update, mit der alten Version wollten wir nicht beginnen. Shopify gefiel uns zunächst gut, und auch „was man so darüber hörte“, machte Mut. Missfallen hat uns das Konzept mit der Umsatzbeteiligung. Auch schien mit Shopify die Umsetzung unserer Designvorstellungen ohne Agentur nicht möglich gewesen zu sein. Long story short: die Wahl fiel auf JTL-Shop, zumal es hierzu passend auch ein Warenwirtschafts-Add-On, die sogenannte „Wawi“, gibt.
Wo fangen wir an? Einige Monate verbrachten wir mit Fotoshootings, Freistellen und Optimieren der Shop-Fotos unserer ausgewählten Produkte. Artikelnummern, Produktbeschreibungen, Preise und Produktdatenbank folgten – für uns als alte Produktmanager-Hasen zwar bekanntes Terrain, aber dennoch enorm zeitaufwändig.
Und wieder: selbst ist der Mann!
Parallel dazu pflegten und „bespielten“ wir unseren YouTube-Kanal und entwickelten die Idee der Materialsätze. Der Druck aus der Community nach einer Fabricium-Webseite wurde immer größer, und nachdem der Shop noch weitere Monate zu verschlingen schien, zogen wir kurzerhand die „normale“ Webseite vor. Auch hierzu sprachen wir wieder mit mindestens zwei Agenturen. Das „Problem“ war, dass wir sehr genau wussten, was wir wollten, aber um dies zu spezifizieren, wären sehr präzise Vorgaben und Mockups notwendig gewesen. Da dies mit enormem Aufwand verbunden gewesen wäre, kam der Entschluss: Dann können wir es doch gleich selbst machen!
Ab Januar 2021 legten wir los. Die Spitze des Eisbergs habt ihr gerade vor euch. DSGVO, Sicherheit, Hosting, Backup, Bildoptimierung, SEO, Rechtskonformität, AGB und vieles mehr sind als „nicht sichtbare“, aber aufwändige Zusatzarbeiten zu nennen.
Die Struktur einer Seite ist das eine, die guten Inhalte das andere – und das haben wir zeitlich signifikant unterschätzt. Kompendium, Wörterbuch, Projektseiten und generell Webseitentexte erfordern mehrere Monate konsequentes „After-Work“-Arbeiten (wir machen das im Nebenjob). Und ja, es war viel Arbeit, aber wir haben viel dabei gelernt und können uns nun selbst helfen, wenn es um Änderungen oder neue Inhalte – wie z.B. diesen Blogbeitrag – geht.
Fazit
Unsere „Learnings“ aus dem bisherigen Projektverlauf lassen sich mit folgenden Punkten zusammenfassen:
- Die Zusammenarbeit mit unserem Freelancer aus Indien funktioniert erstaunlich gut, flink und vergleichsweise preiswert. Themen wie Rechtssicherheit, DSGVO, etc., waren allerdings unbekannt.
- Wer genaue Vorstellungen vom Endergebnis seiner Webseite hat und zudem mit einem begrenzten Budget arbeiten muss, der benötigt Zeit, Geduld und Lernbereitschaft, um es selbst zu erledigen.
- Die Struktur eines Internetauftritts ist wichtig. Den Zeitbedarf für die Erstellung und Optimierung der Inhalte haben wir deutlich unterschätzt.
- „Think big“ mag in machen anderen Bereichen sinnvoll sein, wir würden heute wahrscheinlich „kleiner“ anfangen.